Pädagogisches Konzept

Das autistische Syndrom ist in seiner Darstellung multikausal, d.h. die Störungsbilder können sehr verschieden in ihrer Art und deren Auswirkungen sein. Das bedeutet, dass pädagogische und heilpädagogische Ansätze, teilweise mit Unterstützung von therapeutischen Ansätzen, breitgefächert an die individuelle Problematik des autistischen Menschen angepasst und ausgerichtet werden müssen.

Autistische Menschen sind aufgrund ihrer speziellen Eigenarten meist nur sehr eingeschränkt in der Lage, ihr eigenes Leben zu gestalten.

Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Wohneinrichtungen kommt daher eine Schlüsselrolle zu. Ihr Ziel ist es:

  • das Grundbedürfnis eines jeden Menschen nach Geborgenheit, Vertrautheit, Sicherheit und Ruhe zu erreichen.
  • die ihnen anvertrauten autistischen Menschen in ihrer Individualität anzunehmen, zu akzeptieren und zu respektieren.

Fachspezifische Schulungen, kontinuierliche Weiterbildung und Supervisionen für Mitarbeiter, verschiedene Berufsgruppen innerhalb des Wohnheimes (multiprofessionelles Team), eine hohe Motivation und eine enge Zusammenarbeit mit Ärzten, Angehörigen, Werkstätten und externen Therapeuten sind dafür Grundvoraussetzung.

Eine ausgewogene Zusammensetzung von Bewohnerinnen und Bewohnern einer Wohngruppe ist von großer Bedeutung. Die Lebensqualität hängt davon ab, ob eine gewisse Akzeptanz und Toleranz untereinander von z. T.  schwierigen Verhaltensweisen möglich ist.

Die Integration in die Gemeinschaft soll ermöglicht und die vorhandenen Potentiale aufgespürt, aktiviert und gefördert werden. Die Gruppenmitarbeiter/-innen müssen im Einzelfall, zum Teil in Zusammenarbeit mit externen Therapeuten, abwägen, welche und wie viele pädagogische Fördermaßnahmen oder Therapien für ein möglichst störungsfreies Leben von Nöten ist.

Es werden verschiedene pädagogische, heilpädagogische, externe therapeutische und externe medizinische Maßnahmen und psychosoziale Betreuung angeboten und durchgeführt, wie z. B.:

  • pädagogische und heilpädagogische Förderung
  • körperwahrnehmungsorientierte Therapieformen, sensorische Integration (J. Ayres), Basale Stimulation (A. Fröhlich), krankengymnastische Übungen (Anleitung durch externe Physiotherapeuten), Ergotherapie (Anleitung durch externe Ergotherapeuten), Bewegungstherapie
  • kommunikationsorientierte Angebote: Unterstützende Kommunikation und gestützte Kommunikation, Musikangebote
  • Affolter-Therapie (die Methode der Hand- und Körperführung)
  • Anlehnung an das Teacch-Programm, Selbstständigkeitsförderung durch starke Strukturierung im Tagesablauf über das Trainieren von vielen Einzelschritten, Strukturierungshilfen in Bezug auf Raum, Zeit, Arbeitsorganisation, Strukturierung von Material und Aufgabe, Routine als Strukturierungshilfen
  • Anleitung der Mitarbeiter durch Autismustherapeuten

Der Aufbau einer sozialen Beziehung zum autistischen Menschen ist von großer Bedeutung. Gewohnheiten und strukturierte Abläufe müssen geschaffen werden. Sie machen Geschehnisse für den autistischen Menschen überschaubarer und kontrollierbarer. Die Vertrautheit ist die Grundlage für ein Gefühl der Sicherheit, um dann ggf. flexible Situationen gestalten zu können. Um – neben anderen pädagogischen Maßnahmen – diese Vertrautheit herzustellen, ist jeweils ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin Bezugsbetreuer für einen Bewohner. Das bedeutet, er /sie kümmert sich intensiv um alle Bedürfnisse, Belange und Wohlbefinden seines ihm anvertrauten Menschen. Dieser Mitarbeiter oder diese Mitarbeiterin pflegt neben allen anderen Kollegen verstärkt persönliche Kontakte zu den Eltern, Therapeuten und Ärzten etc. und ist für die Transparenz der Informationen verantwortlich, so dass dem gesamten Team die notwendigen Bewohnerinformationen vermittelt werden.

Der Tagesablauf wird entsprechend den individuellen Fähigkeiten der Bewohner strukturiert und ausgerichtet. Da die normale Alltagsbewältigung für viele autistische Bewohner zunächst Arbeit genug ist, werden Förderangebote vorrangig im lebenspraktischen Bereich nach und nach eingebunden und erweitert.

Die Grenzen zwischen Betreuung, pädagogischer Förderung und extern angebotenen Therapien sind fließend.

Im Einzelfall kann so entsprechend adäquater gehandelt werden. Auch die Gefahr, dass sich möglicherweise nicht alle Eltern und nicht alle Mitarbeiter einer festgelegten Methode anschließen, wird minimiert und Konflikten so aus dem Weg gegangen.

Neben dem Anteil der pädagogischen und heilpädagogischen Maßnahmen ist bezüglich der Betreuung vor allem auch die pflegerische Hilfestellung zu nennen, wie z. B. die persönliche Hygiene. Der Pflegebereich entspricht individuell gesehen einem großen Teil des Tagesablaufes. Medikationen werden durch ärztliches Fachpersonal verordnet. Hierüber stehen die Mitarbeiter mit den Eltern im Austausch.

Die pädagogische und heilpädagogische Förderung soll Defizite aufarbeiten und praktisches Handeln im Alltag sowie soziale Fertigkeiten und Kulturtechniken vermitteln. Das Hauptmedium der Milieutherapie (psychosoziale Betreuung) sind die Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Klient und die Beziehungen zur Außenwelt. Der Mitarbeiter hält – vor dem Hintergrund einer grundsätzlich akzeptierenden Haltung – die Balance zwischen Gewähren- und Probieren lassen auf der einen Seite und der konsequenten Darstellung der Realität (Grenzen des Interaktionspartners, Regeln, Normen, sachimmanente Grenzen) auf der anderen Seite.

Der Bewohner/die Bewohnerin kann lernen, sein/ihr Verhalten auf die soziale Umwelt abzustimmen und ein gesundes Maß zwischen den eigenen Bedürfnissen und der inneren und äußeren Realität herzustellen.

Um dieses Ziel erreichbar zu machen, bzw. sich annähern zu können, muss dem Klienten die Möglichkeit gegeben werden, sich mit seiner sozialen Umwelt auseinandersetzen zu können. Dies ist innerhalb der Wohngruppe und durch Erfahrungen mit der weiteren Umwelt und Außenkontakten möglich.

Elternkontakt / Kontakt zu Angehörigen

Der Kontakt zwischen den Angehörigen und Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ist zu Beginn der Ablösung und Eingliederung des autistischen Menschen in das Wohnheim besonders intensiv.

Eine wichtige Voraussetzung und Grundlage für ein positives Einleben in die neue Umgebung ist ein vertrauensvoller Austausch zwischen den Eltern und den Betreuern.

Die Erfahrungen der Eltern können dazu beitragen Missverständnisse, die durch das Verhalten der autistischen Bewohner entstehen könnten, aufzuklären. Möglichst viele Kenntnisse über z.B. Fähigkeiten, Neigungen und Abneigungen des autistischen Menschen kann den Mitarbeitern während der Kennenlernphase die Arbeit erleichtern, was letztendlich den Bewohnerinnen und Bewohnern zu Gute kommt.

Weiterführend wird der Kontakt zu den Eltern und Angehörigen gepflegt, um keine Diskrepanzen hinsichtlich der Förderungsziele und -strategien entstehen zu lassen: in Form von Gesprächen, telefonischen Informationsaustausch bzw. Gesprächsterminen im Wohnheim.

Unabhängig davon finden in regelmäßigen Abständen Elternabende, „Runde Tische“, sowie verschiedene Feste mit Eltern, Bewohnern und Mitarbeitern statt.

Weitere regelmäßige persönliche Gesprächsmöglichkeiten zwischen Eltern und Mitarbeitern bzw. Bezugsbetreuern ergeben sich durch das Abholen und Wiederbringen der Bewohnerinnen und Bewohnern an den Besuchswochenenden, die in der Regel alle zwei Wochen stattfinden und die von einigen Bewohnern und Angehörigen angenommen werden.